Der Kachowka Staudamm 2013 – wichtiger Versorgungspunkt für Strom und Wasser für Hunderttausende in der Region Cherson und Krim. Heute zerstört und ohne Funktion. Foto: Wikipedia*

Wasser als Waffe

Zusätzlich zu dem andauernden Beschuss durch Raketen und Artillerie sehen sich tausende Menschen in der Ukraine seit dem Morgen des 06. Juni der Gefahr einer Überflutung ausgesetzt. Die vermutliche Sprengung des Kachowka-Staudamms flutet derzeit weite Landesteile rund um die Stadt Cherson.

Die Folgen der Sprengung

Geschätzte 16.000 Menschen in 80 Ortschaften sind akut durch die Wassermassen des größten Stausees der Ukraine gefährdet. Zusätzlich ist die Stromversorgung durch die rund 18 Millionen Kubikmeter Wasser für ca. drei Millionen Menschen sowie die Trinkwasserversorgung in Gefahr. Letzteres könnte auch für die Bewohner*innen der Krim gelten, erfolgt doch ein wichtiger Teil der Wasserversorgung der Halbinsel über einen Kanal direkt aus dem Stausee. Ebenso abhängig vom Gewässer ist das oberhalb des Dammes gelegene Atomkraftwerk Saporischschja, das riesige Mengen Kühlwasser benötigt. Glücklicherweise sieht die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) derzeit keine akute Gefahr für einen atomaren Zwischenfall. Glück im Unglück.

Besonders betroffen sind die Menschen am linksseitigen Ufer des aufgestauten Flusses Dnipro, ein Gebiet das unter russischer Besatzung steht und von dort auch durch eine Internetsperre nur spärlich Informationen zu erhalten sind. Evakuierungen der betroffenen Gebiete sollen aber bereits auf beiden Seiten des Flusses stattfinden.

Im Südosten der Ukraine befindet sich der Oblast Cherson mit der gleichnamigen Stadt. Die Gebiete unterhalb des Stausees sind derzeit von Russland besetzt. Karten: Open Street Map

Schuldfrage und Langzeitfolgen

Wie bei ähnlichen Vorfällen, z.B. der Sprengung der Gaspipeline in der Ostsee, weisen sich die Ukraine und Russland die Schuld an dem Vorfall gegenseitig zu. Eine Zerstörung des Staudammes und dessen mögliche Folgen wurde schon im Herbst 2022 diskutiert, als beide Kriegsparteien sich gegenseitig mehrmals vorwarfen den Damm zu beschießen bzw. zu verminen.

Bei allem Ringen um die Schuldfrage ist jetzt am wichtigsten, dass den betroffenen Menschen schnellstmöglich und langfristig geholfen wird. Es bleibt zu befürchten, dass die Herstellung der Infrastruktur nur schleppend vorangehen wird und zahlreiche Ortschaften zumindest mittelfristig unbewohnbar bleiben werden.
Denn über die unmittelbaren Schäden hinaus sind die Folgen der Überflutung noch nicht absehbar. Bis der Staudamm aufgebaut und der See zur alten Größe angestaut ist könnten Jahrzehnte vergehen, in denen es zu Engpässen bei Strom- und Wasserversorgung kommen kann. Zusätzlich sind landwirtschaftliche und ökologische Langzeitschäden durch Kontamination des Boden und des (Trink-)Wassers und die Zerstörung von Wäldern in der Region zu befürchten.
Beispielhaft zeigt das die Sprengung eines Dammes nahe Kiew im Dezember 2022 durch ukrainische Streitkräfte um russische Truppen zu stoppen. Die Bewohner der Ortschaft Demydow waren schwer von den Folgen betroffen: https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Ukraine-Krieg-vergiftet-Wasser-und-verseucht-Natur-article23805120.html

Wie auch immer sich die Situation weiter entwickeln wird: unser Team in Dnipro hat seine Unterstützung angeboten und ist mit den Behörden und der WHO (Weltgesundheitsorganisation) im Austausch. Momentan braucht es vor allem Trinkwasser, Unterkünfte und Evakuierungsfahrzeuge für die tausenden akut Betroffenen.
Wir werden die Entwicklung vor Ort weiter verfolgen und uns auf mögliche Szenarien, wie z.B. Cholera-Ausbrüche, vorbereiten. Zusammen mit unseren ukrainischen Partner*innen evaluieren wir außerdem einen Einsatz unseres technischen Teams.

Bruch des Völkerrechts

Die Zerstörung eines Staudammes stellt einen klaren Bruch des Völkerrechtes dar, das die mutwillige Zerstörung von „Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten“ verbietet. Leider hat der Einsatz von Wasser als Waffe in Auseinandersetzungen eine lange, unrühmliche Tradition. Unter anderem in Syrien wird Wasser häufig als Druck- und Verhandlungsmasse verwendet.

Wir fordern umfangreiche humanitäre Hilfe für die Betroffenen der Überschwemmungen und eine tiefgehende Aufklärung des Vorfalles.
Kein angeblicher militärischer Vorteil darf rechtfertigen, dass das Leben tausender Menschen leichtfertig durch eine Überflutung bedroht und zahlreiche Ortschaften in lebensfeindlichere Gebiete verwandelt werden. Wasser darf keine Waffe sein!

 

* Foto: Wikipedia, keine Veränderungen vorgenommen, CC BY-SA 4.0

Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Jonas Grünwald

by CadusPR

Bleibe informiert über unsere Einsätze, Veranstaltungen und Themen aus der Humanitären Nothilfe – mit unserem Newsletter!

Newsletter Anmeldung

Ich stimme der Verarbeitung meiner persönlichen Daten (eMail) zu

Ich stimme dem Empfang des Newsletters zu

Spende für unabhängige humanitäre Nothilfe

Deine Spende macht es möglich, dass wir unsere Ressourcen und Fähigkeiten dort einsetzen wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Nach oben