Zwei Personen gehen auf einer zerstörten Straße mit einem beschädigten Gebäude im Hintergrund und einem demolierten Auto im Vordergrund.
Zwei Personen gehen in Tschernihiw, Ukraine, auf einer durch Beschuss zerstörten Straße. 13. April 2022. (Foto: AP Photo/Evgeniy Maloletka*)

Ein trauriges Jubiläum

Genau ein Jahr ist es her, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Ein trauriges Jubiläum, vor allem für die Menschen in der Ukraine, die seither tausende Tote, Verletzte und zerstörte Dörfer und Städte zu beklagen haben. Ein Aufruf zu Solidarität, Differenzierung und Menschlichkeit.

Die Hoffnung auf Frieden, trotz heftigem verbalen Säbelrasseln Putins, Truppenbewegungen und Warnungen von Analyst*innen zerschlug sich endgültig mit dem Grenzübertritt russischer Truppen am 24. Februar 2022. Richtig wahrhaben wollten es die wenigsten, dass im Europa des 21. Jahrhunderts ein Staat einen anderen überfallen würde, auch wenn seit der Besetzung der Krim und den Kämpfen im Donbas die Grenzen des vermeintlich Machbaren sich zu verschieben begannen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war auch für die Menschen in der Ukraine nichts mehr wie vorher.
Für den Rest Europas galt die „Zeitenwende“, als Raketen in die Großstädte der Ukraine einschlugen, Panzer durch Wohnviertel rollten und die Menschen in der Ukraine sich in U-Bahnschächten versteckten, in langen Autoschlangen flohen oder sich bewaffneten.

Eine große internationale Welle der Unterstützung rollte daraufhin an. Menschen öffneten ihre Wohnungen für Geflüchtete, Decken, Kleidung und Lebensmittel wurden gespendet und zahlreiche Organisationen und Initiativen halfen an den Grenzen und den Bahnhöfen, die Menschen in Empfang zu nehmen und zu versorgen. Auch wir waren kurz nach Kriegsbeginn bereits in der Ukraine im Einsatz.

Der Horror des Krieges

Begleitet von der Kriegspropaganda und zahlreichen Fake-News wurde schnell klar, wie unerbittlich der Krieg geführt werden würde und welche Vernichtungskraft in ihm liegt. Berichte über die humanitäre Katastrophe im stark umkämpften Mariupol, über Plünderungen, Folter und Erschiessungen durch russische Soldaten wie in Butscha, gelangten schnell an die Öffentlichkeit. Bilder und Videos von ausgebrannten Militär-Konvois, Gefechten und toten Soldaten waren von Beginn an allgegenwärtig.

Trotz dieser Echtzeit-Übertragung des Horrors des Krieges und wegen der Propaganda- und Fake-News-Schlacht scheint aber kein Ende in Sicht. Vielmehr entwickelt sich der Krieg offenbar zu einem weiteren Dauerkonflikt. Die Gründe dafür sind sehr komplex und vielfältig – zu viele um alle in diesem Beitrag zu beleuchten. Drei Wahrheiten müssen aber feststehen:

  1. Russland hat die Ukraine in einen durch nichts zu rechtfertigenden Krieg verwickelt

  2. die Ukraine hat ein ein Selbstbestimmungs- und -verteidigungsrecht und

  3. menschliches Leid muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Menschliche Tragödien

Ungeachtet der politischen Hintergründe leiden und sterben Menschen auf beiden Seiten, verlieren Angehörige geliebte Menschen, werden Menschen zum kämpfen gezwungen, werden Leben und deren Grundlagen zerstört und Generationen traumatisiert. Wie hoch der Schaden für die Gesellschaften Russlands und der Ukraine sein werden, lässt sich noch gar nicht abschätzen.
Zu schnell vergessen wir als Öffentlichkeit bei allen Kriegsanalysen, politischen Prognosen, dem Willen auf der richtigen Seite zu stehen und zu „siegen“, schnell, auf wessen Kosten und Rücken der Krieg ausgetragen wird.

Die Abwägung der drei oben genannten Punkte ist schwierig, teilweise können sie sich widersprechen oder bedingen, wenn sie zu Ende gedacht werden.
Was dabei wichtig ist: Differenzierung. Weder ist die ukrainische, noch die russische Gesellschaft ein monolithischer Block. Dieser Krieg ist kein einfaches Gut gegen Böse, obwohl es recht einfach scheint seine Sympathie für eine Seite zu bekunden. Jeden Tag spielen sich massenhaft menschliche Tragödien ab, die wir nach Kräften verhindern sollten.

Solidarisch, differenziert und menschlich

Dafür gibt es viele Möglichkeiten: Unterstützung von Geflüchteten, humanitärer Hilfe in der Ukraine, der Unterstützung der russischen Demokratie- und Friedensbewegung oder in der täglichen Aufklärung gegen Nationalismus und Großmachtdenken.

Während unserer Arbeit in der Ukraine haben wir viele großartige Menschen kennen gelernt, die trotz der Umstände versuchen zu helfen wo sie können, anpacken, wiederaufbauen und nicht selten ihr eigenes Leben riskieren beim Versuch andere zu retten wie z.B. unsere Freunde von BASE UA.
Keiner dieser Menschen wollte diesen Krieg und doch leiden sie am meisten darunter. Während in Russland die Zensur weiter voranschreitet, Oppositionelle und Kritiker*innen des Kremls verhaftet und Wehrpflichtige und Häftlinge an der Front geopfert werden.

Als humanitäre Hilfsorganisation in einem aktiven Kriegsgebiet bewegen wir uns in einem politischen Raum und können Hintergründe und Ursachen eines Konfliktes nicht außer Acht lassen. Ungeachtet dessen ist die Hilfsbedürftigkeit des Menschen das einzige Kriterium für unsere Arbeit. Das ist nicht immer einfach, aber der einzige Weg, echte Menschlichkeit auch in Zeiten des Krieges umzusetzen.

Wie sich der Krieg entwickeln wird, können und wollen wir nicht voraussagen. Fest steht, wir werden weiterhin solidarisch bleiben und humanitäre Hilfe dahin bringen, wo es notwendig ist. Bleiben wir solidarisch, differenziert und menschlich!

* veröffentlicht unter CC BY 2.0, keine Veränderungen vorgenommen. Quelle: https://flic.kr/p/2neiHRt

Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Jonas Grünwald

by CadusPR

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