Nicht mal belächelt: Wie Makerspaces in der Krise helfen und dabei von der Politik ignoriert werden
Seit knapp 5 Wochen produzieren und verteilen wir vom xHain Stoffmasken und Gesichtsvisiere. Wir schauen dabei auf eine Entwicklung zurück, die wir so nicht haben kommen sehen.
Ein Gastbeitrag von Felix Just vom xHain Berlin zur aktuellen Gesichtsvisier-Initiative.
Unsere Initiative geht auf einen beunruhigenden Dialog mit zwei Pfleger:innen eines Krankenhauses zurück, die über nicht vorhandene Schutzausrüstung am Arbeitsplatz klagten. Überall fehlte es binnen kürzester Zeit an wichtigem Sicherheits-Equipment. Auch dort, wo diese Dinge nicht fehlen dürfen: In Arztpraxen, Rettungsdiensten und eben in Krankenhäusern. Der Bedarf ist in den letzten Wochen nicht rasant gewachsen, er ist regelrecht explodiert.
Wir haben überlegt, wie wir mit unseren Mitteln helfen können und wer uns dabei unterstützen kann. Und wir haben, wie es sich für einen Makerspace gehört, einfach begonnen zu machen. Rasch überschlugen sich die Ereignisse und eins führte zum anderen. Nach einem Anruf von Daniel vom Verstehbahnhof begannen wir umgehend mit dem Drucken von Gesichtsvisieren und haben mit CADUS e.V. und der Beuth Hochschule weitere Partner:innen gewinnen können. Innerhalb kürzester Zeit entstand eine Kooperationen aus neun Makerspaces aus Berlin & Brandenburg. Neben den bereits genannten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch das fablabcb (Cottbus). das Hebewerk (Eberswalde), die machBar (Potsdam), die Makerkutsche (Ruhland), die Offene Werkstatt Spremberg, die Technische Hochschule Brandenburg mit am Start. Und wir sind nur eine von vielen solcher gemeinnützigen Kooperativen. Privatmenschen, Vereine, Universitäten und Unternehmen spendeten Geld und Material, liehen uns ihre 3D-Drucker, schenkten uns Nähmaschinen oder produzierten selbst Masken und Gesichtsvisiere. Eine unerwartet große Anzahl von Näher:innen unterstützt uns in Heimarbeit bei der Herstellung von Stoffmasken, viele Menschen radeln durch die Stadt um Material oder Behelfsausrüstung an ihre Zielorte zu bewegen.
Mittlerweile haben wir bereits rund 600 Stoffmasken verteilt, bei den Gesichtsvisieren sind wir dank einer Spende von 24.000 spritzgegossenen Halterungen bei weit über 25.000 Stück.
Diese gingen nicht an Privatpersonen, sondern an medizinische Einrichtungen wie Praxen, Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste, an das Personal von Krankenhäusern und Rettungsdiensten. Aber auch nicht primär medizinische Einrichtungen, deren Mitarbeiter*innen dennoch einen Großteil ihrer Arbeit mit pflegerischen und/oder medizinischen Handlungen verbringen, werden von uns kostenfrei versorgt. Weiterhin unterstützen wir Frauenhäuser und Angebote für wohnungslose und flüchtende/geflüchtete Menschen, und jene, die in engem Kontakt zu diesen gefährdeten Menschen stehen.
Jetzt, nach etwas über einem Monat, bin ich immer noch überwältigt, dass wir so schnell so viel helfen können. Denn das ist es, was dies ermöglicht hat: Der Wille zu helfen. Jede genähte Stoffmaske, jedes 3D-gedruckte Gesichtsvisier hilft jemandem Ansteckungsrisiken zu verringern.
Aber wir sind kein kommerzieller Anbieter von medizinscher Schutzausrüstung, sondern eine zivilgesellschaftliche Initiative, die rein ehrenamtlich arbeitet und ohne irgendeine Förderung von staatlicher Seite läuft. Wir sind in die Bresche gesprungen als es nötig war und haben schnell und unkompliziert mit Behelfsprodukten geholfen. Wir haben uns eingearbeitet, Lösungen entwickelt und verbessert, juristische Fallstricke umschifft, ein Netzwerk etabliert, Spenden akquiriert, Prozesse entwickelt und eine Logistik aufgebaut. Und wir waren dabei nicht allein: Bundesweit gibt es verschiedenste Initiativen und Gruppen, die nähen, drucken und verteilen.
Doch während gewinnorientierte Unternehmen mit großzügigsten Sonderprogrammen geholfen wird, will die Politik mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren nicht einmal sprechen.
Über Wochen wurden unsere Versuche mit der Berliner Senatsverwaltung in Kontakt zu treten blockiert oder ignoriert. Während schon regional und überregional über uns berichtet wird, rufen Politikerïnnen noch über die sozialen Medien auf, dass die Maker-Community doch jetzt bitte helfen möge – antworten aber dann wochenlang nicht, wenn man sich meldet. Bezirksstadträte antworten nicht auf Emails. Die Bezirksverwaltung lehnt eine Förderung von Gesichtsvisier-Produktion ab, da sie absolut gegen deren Verteilung in medizinischen Einrichtungen ist. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung startet ein eigenes Maskenportal im Internet, eine Art Online-Flohmarkt für Masken, ohne mit irgendeiner der engagierten Gruppen und Initiativen zu sprechen.
Ich wünschte, die Politik würde erkennen, welches Potential in der Maker-Community steckt. Denn es zeigt sich gerade sehr deutlich, dass wir nicht nur Hobby-Bastler:innen sind, sondern Expert:innen im Netzwerken und im schnellen Prototyping. Dass wir Lösungsorientierung mit Ehrenamt und Gemeinwohl verbinden können.
Kommunale Makerspaces, in denen Kinder und Jugendliche eingebettet in den Schulunterricht die Techniken und Fertigkeiten der Maker-Welt kennen lernen können, sollten Teil der Bildungspolitik werden. Dies erfordert neue Unterrichtsmodelle, die Integration von externem Fachwissen in den Schulen und eine Zusammenarbeit mit den aktiven Communities.
Doch statt mit engagierten und ehrenamtlich arbeitenden Menschen zu sprechen und über die Möglichkeiten gemeinwohlorientierter Projekte zu reden, straft man sie lieber mit Missachtung: „Deine Arbeit ist nicht profitorientiert. Du bist für uns nicht relevant.
Doch wer noch denkt, was nichts kostet sei nichts wert, begeht einen teuren, einen ungeheuren Fehler. Denn ohne das Ehrenamt würde es viele wertvolle und wichtige Fähigkeiten und Projekte nicht geben, die offensichtlich gerade jetzt gebraucht werden.
Ehrenamtliche Arbeit ist systemrelevant.
Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Cadus PR
by CadusPR
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Als wir uns vor anderthalb Jahren gegründet haben, da musste alles ganz schnell gehen. Ein Name für das Kind musste her. Viel Gedanken haben wir nicht darauf verschwendet, zu viel war zu tun, die Ereignisse überschlugen sich, und überhaupt, Inhalt war uns wichtiger als Verpackung. Ist doch egal, was drauf steht.
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