Die Mühen des Journalismus oder alles Flecktarn, oder was?

Eine Stellungnahme zum ARTE-Beitrag

"Es wirkt, als wenn wir sozusagen der Sanitätsdienst des Militärs wären. […] Das ist so natürlich falsch."

Vor kurzem ist auf arte eine Dokumentation über die Arbeit von CADUS gesendet worden. Wir haben lange überlegt, ob und wie wir den Beitrag bewerben wollen. Unser CEO Sebastian im Interview.

Interview: Zarah Roth

 

Was kritisierst du an dem arte-Beitrag?

Da geht es schon los, kritisieren ist ein schwieriger Begriff dafür. Ich bin mit den Bildern, die beim Betrachten entstehen können, nicht glücklich, das heißt aber nicht, dass ich die Arbeit des arte-Teams kritisieren will. Es ist glaub ich einfach unwahrscheinlich schwer, die komplizierten Verhältnisse vor Ort im Irak runtergebrochen in einer Reportage darzustellen. Und das umso mehr, wenn man, wie das arte-Team, nur eine begrenzte Zeit vor Ort verbringen kann.

Worum geht es dir dann inhaltlich, bzw. warum hat das CADUS-Team die Reportage nicht offensiv beworben?

Einige Dinge, gerade auch O-Töne, kommen missverständlich rüber. Es wirkt, als wenn wir sozusagen der Sanitätsdienst des Militärs wären. Es wird ja auch gesagt, wir würden nur dort arbeiten, wo es uns das Militär erlaubt. Das ist so natürlich falsch.

Wir müssen uns selbstverständlich beim Militär erkundigen, welche Gegenden sie als sicher betrachten. Wo sie noch Schläferzellen vermuten. Wo bereits Minen geräumt wurden. Außerdem ist dort, wo das Militär „vorgeht“, also Kampfhandlungen stattfinden, auch mit verletzten Zivilist*innen zu rechnen. Deswegen, ja, alles in allem zusammengenommen haben die Informationen des Militärs einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungsfindung. Aber „dort arbeiten, wo es das Militär erlaubt“ wäre ein klarer Verstoß gegen internationales humanitäres Recht, und würde die für uns wichtige Neutralität komplett untergraben.

Aber habt ihr nicht auch schon in Mossul mit dem Militär zusammengearbeitet?

Wie gesagt, das wording macht´s. Ja, wir waren in Mossul extrem nah am Militär. Aus Gründen. Das war ein Häuserkampf, mit etlichen Schläferzellen, überall selbstgebastelte Sprengfallen vom IS, da konnten wir uns nur „in den Fußstapfen“ der Sicherheitskräfte bewegen, alles andere wäre unkalkulierbar lebensgefährlich gewesen.
Aber schon da haben wir mit allen Mittel versucht, eine Mindestabgrenzung aufrecht zu erhalten. Eine eigene Versorgungsstruktur, eine eigene medizinische Logistik, eine eigene Unterkunft. Das wir dabei in Bezug auf die Sicherheitsaspekte von der räumlichen Nähe zum Militär profitiert haben ist klar. Aber wir sprechen deswegen immer von einer Kolokation, nicht einer Kooperation. Auch war es in Mossul wichtig, sehr nah beim Militär zu sein, da sie die einzigen waren, die Zivilist*innen aus dem unmittelbaren Frontbereich zu uns einen Kilometer dahinter bringen konnten. Und um sicherzugehen, dass Zivilist*innen genauso behandelt werden wie irakische Militärs, war es wichtig dort zu sein. Aber das war ein extremes Spiel mit den Grenzen humanitärer Neutralität, das mit Sicherheit auch dem Zweck geschuldet war, und für uns keinen Wunschzustand darstellte.

In Hawija waren wir dann immer noch auf den Spuren des Militärs, um immer dort zu sein, wo grade Ortschaften befreit wurden vom IS. Aber auch hier wieder aus der Not geboren und nicht, weil wir eine so enge Arbeit beim Militär als sinnvolles Konzept erachten.

Deswegen war und ist uns das extrem wichtig, dass das nicht verkürzt rüberkommt.

Geht es euch da eher um euren Ruf als NGO, die aus einer eher subkulturellen Szenerie entstanden ist? Oder was ist das Problem?

Das Problem ist in erster Linie, dass wir generell im humanitären Sektor in den letzten Jahren etwas erleben, was wir früher nicht erlebt haben. Angriffe auf humanitäre Helfer*innen und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung haben massiv zugenommen und sind mittlerweile gängiges Mittel in den asymmetrischen Konflikten, die wir vielerorts grade sehen. Und da gibt es grade noch kein einfaches Lösungskonzept.
Der IS lässt nicht mit sich auf Grundlage humanitären Rechts verhandeln. Da scheißen die drauf. Was bleibt dann, außer sich irgendwie vor dem IS zu schützen, und trotzdem vor Ort zu versuchen, den Menschen zu Hilfe zu kommen? Im Stich lassen ist keine Alternative. Aber die Grundlagen humanitären Handelns über Bord zu werfen, nur weil eine Seite sich verweigert, ist genauso wenig eine Alternative.

Deswegen geht es uns nicht nur "um unseren Ruf“, das Feedback ist da sogar eher positiv. Die Menschen, die uns kennen, wissen wie hart es für uns ist, in dieser Umgebung zu arbeiten und so nah mit militärischen Strukturen zu sein, die wir aus verschiedensten Gründen ablehnen. Es geht uns eher darum, keinen ungewollten Beitrag zu dieser lösungsoffenen Debatte zu liefern. Deswegen immer wieder das Betonen, dass wir uns unsere Eigenständigkeit und Neutralität immer versuchen zu erhalten, auch wenn es auf Grund der Umstände schier unmöglich scheint.

Wie ist die Situation jetzt?

Wir sind jetzt in Anbar, da sind die Kämpfe schon länger vorbei, trotzdem liegt die Gesundheitsversorgung vor Ort komplett am Boden. Wir arbeiten dort komplett auf uns allein gestellt, und haben auch eine viel größere Distanz zu den Sicherheitskräften, weil es einfach keine akuten Kampfhandlungen mehr gibt. Wir haben dafür die passiven Schutzmaßnahmen soweit verstärkt, wie es uns möglich war.

Passive Schutzmaßnahmen?

Mietfahrzeuge mit schusssicherer Panzerung. Wir arbeiten viel stärker „unter dem Radar“, keine Routinen an den Tag legen, die angreifbar machen. Halt alles, was nicht aktiven bewaffneten Schutz bedeutet. Aber das ist nichts „Neues“ und für die Medien mit Sicherheit auch weniger interessant als das Arbeiten im aktiven Frontbereich.
Deswegen werden wir wohl noch länger mit diesem medialen Bild kämpfen müssen, welches unsere Nähe zum Militär nicht in der Komplexität abbilden kann, die sie eigentlich hat.

Sebastian, vielen Dank für das Gespräch.

Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Jonas Grünwald

by CadusPR

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