Für das Jahr 2023 stehen bei CADUS große Veränderungen an
Das Jahr 2022 war voller Höhen und Tiefen – in der Welt, und auch bei uns. Die Ereignisse haben sowohl uns persönlich als auch CADUS verändert. Über diese intensive Zeit und deren Folgen für unsere Organisation wollen wir euch hier berichten.
Als eine der tiefgreifendsten Veränderungen werden wir uns aus der Region Middle East komplett zurückziehen.
Das Konzept CADUS ist vielfältig, und alles andere als einfach
CADUS ist immer wieder in sehr unterschiedlichen Kontexten aktiv: im weiten Feld der humanitären Hilfe mal Seite an Seite mit regionalen Initiativen, und mal als Implementierungspartner von Akteuren wie der WHO oder dem Auswärtigen Amt. Direkte medizinische und technische Hilfe wechseln sich ab mit nachhaltigen Training-Programmen und langfristigen Kooperationen mit regionalen Partner:innen. Darüber hinaus haben wir uns die Entwicklung innovativer Konzepte und die Analyse und Debatte der Ursachen von humanitären Notlagen vorgenommen. Das ist viel, und hat innerhalb unserer Organisation nicht nur zu Interdisziplinarität und Diversität der Methoden geführt, sondern immer wieder auch zu hitzigen Debatten und Richtungsstreits.
Diskussionen hat es nicht nur innerhalb von CADUS gegeben, sondern auch unter den Mitarbeiter*innen des Krankenhauses in al-Hol während der Gründungsphase der neuen Organisation (Symbolbild). Foto: CADUS
Dieser Gemengelage geschuldet, gab es Anfang 2022 zwei operative Abteilungen mit verschiedenen Wirkungsbereichen bei CADUS:
die Emergency Response (ER), und Middle East (ME). Das Headquarter (HQ), die Hauptniederlassung in Berlin, bildete einen dritten, nicht-operativen Teil von CADUS.
Anfang 2022 sah die Welt noch anders aus
Das Middle East Team startete personell gestärkt ins Jahr 2022 und plante für Nord-Irak und Nordost-Syrien weitere langfristige Projekte und Kooperationen. Um diese Art Projekte zu ermöglichen, lag bereits in den beiden vorangegangenen Jahren der Fokus auf dem Aufbau von soliden Strukturen und Prozessen. Im selben Zeitraum konzentrierte sich das Emergency Response Team auf Herstellung der kurzfristigen Einsatzfähigkeit mit einem Fokus auf den Ausbau des Nothilfe-Equipments. Während Middle East hauptsächlich mit der Leitung des Feldkrankenhauses in Al Hol und Koordination der Rettungsleitstelle des Camps beschäftigt war, begab sich die Emergency Response in mehrere kurze Einsätze im Kontext von Flucht, Migration, und Pandemie. Durch die verschiedenen Ausrichtungen der Abteilungen und teilweise entgegengesetzter Prioritäten waren Austausch und Zusammenarbeit mehr und mehr konfliktbehaftet.
Seit März 2019 betreibt CADUS im Geflüchtetencamp al-Hol mit viel Aufwand ein Krankenhaus zur 24/7 Versorgung der Menschen vor Ort. Foto: CADUS
Beinahe seit Gründung der Organisation operiert CADUS in Konflikt- und Kriegsgebieten. Ein verantwortungsvolles Tätigkeitsfeld, das einhergeht mit einer hohen Belastung, und in dem kleine Fehler fatale Auswirkungen haben können. Dieses Gepäck hatte bis Anfang 2022 vor allem das Team Middle East zu tragen. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 spitzte sich nicht nur in der Welt, sondern auch organisationsintern die Lage zu. Uns alle hat der Beginn dieses Krieges extrem mitgenommen, und besonders für das Emergency Response Team im Zuge der Einsatzvorbereitungen bedeutete die neue Lage einen massiven Anstieg von Stress.
Die bereits seit längerem bestehenden Konflikte zwischen den Abteilungen wurden durch die akute Belastung verstärkt. Es trat immer mehr zu Tage, dass die beiden operativen Teams sich in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt hatten. Die drei Geschäftsführungen der Bereiche vertraten verschiedene und kaum miteinander zu vereinbarende Arbeitsweisen, die sich in dieser sowohl inneren als auch globalen Krisensituation nicht zusammenführen ließen. Nach und nach erfasste dieser Konflikt die gesamte Belegschaft. Als traurige Konsequenz verließen viele Mitarbeitende die Organisation.
Es ist ein Ende in Sicht – und ein neuer Anfang
Letztendlich konnten wir die bestehenden Konflikte nicht lösen. Die Herangehensweisen der beiden Teams sind zu unterschiedlich und die Kapazitäten für die Aufarbeitung der Konflikte nicht vorhanden. Was also tun, wenn es gemeinsam nicht mehr weiter geht?
Im Irak haben wir vor allem Trainings und Weiterbildungen für medizinisches Personal angeboten, wie hier in Mossul zusammen mit der Organisation Viyan. Foto: Viyan
Nach langem Hin und Her mit vielen Ideen, Lösungsansätzen und leider auch Sackgassen, traf der Vorstand eine Entscheidung: CADUS wird seine Projekte in der Region Middle East aufgeben und sich auf die kurzfristige Emergency Response konzentrieren. Das Team Middle East wird es in Zukunft nicht mehr geben, die Abteilung wird geschlossen, und zum 30.06.2023 verlässt CADUS die Region.
Dies ist natürlich längst nicht für alle zufriedenstellend, aber es ist klar, dass eine Entscheidung getroffen werden musste.
Was geschieht nun mit unseren Projekten im Nord-Irak und in Nordost Syrien? Während im Nord-Irak kleinere, abgeschlossene Training-Programme durchgeführt wurden und die Einstellung unserer Aktivitäten dort zwar einen bedauerlichen, nicht jedoch kritischen Einschnitt bedeutet, sieht es in Nordost-Syrien bezüglich des Feldkrankenhauses Al Hol schon ganz anders aus. Das Krankenhaus zählt vor Ort als kritische Infrastruktur im Bereich der Gesundheitsversorgung, und bietet unter der Leitung von CADUS 65 Mitarbeitenden stabile Arbeitsplätze. Mit dem Rückzug von CADUS aus der Region ist all das gefährdet. Und doch…. dieses Ende bedeutet auch einen Neuanfang.
Die Lösung heißt Lokalisierung
Unsere Kolleg:innen in Nordost-Syrien arbeiten auf Hochtouren an einer Lösung dieser kritischen Situation. Während sich CADUS von Berlin aus vergeblich bemüht hat, eine internationale Organisation zu finden, die bereit wäre, das hochkomplexe Projekt „Field Hospital Camp Al Hol“ zu übernehmen, wurde vor Ort ein großartiger Plan geschmiedet: die Gründung einer neuen, lokal ansässigen NGO, bestehend aus den Mitarbeitenden des Krankenhauses, die es weiterführen werden.
Noch sind die Spuren unserer Arbeit im Krankenhaus erkennbar. Schon bald wird diese von der neugegründeten lokalen Organisation Sîlêr fortgeführt. Foto: CADUS
Auch dieser Weg ist alles andere als einfach – sonst wäre der Pfad der Lokalisierung der humanitären Hilfe dort wohl schon längst beschritten worden. Doch mit dem durch die aktuelle Lage erzeugten Druck einerseits und der Energie unserer Kolleg:innen vor Ort andererseits scheint plötzlich vieles möglich. Und so wurde „Sîlêr – Crisis Response“ (kurz SCR) ins Leben gerufen.
Während nun in Berlin Stellen reduziert und Koffer gepackt werden, beginnt in Nordost-Syrien ein neues Kapitel mit einer Organisation, die nicht nur das Field Hospital weiterführen wird, sondern auch für die allgemeine Not- und Katastrophenhilfe in der Region bereit steht. Noch befindet sich Sîlêr (sprich: Schlee-er) im Aufbau, und es sind nicht wenige bürokratische Hürden zu nehmen. Doch wir halten euch auf dem Laufenden, und werden natürlich sofort Bescheid geben, sobald es Neuigkeiten gibt.
Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Corinna Schäfer
by CadusPR
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