Destruction in Gaza Strip. Photo: UNICEF/Hassan Islyeh, https://www.etcluster.org/emergency/palestine-conflict

Humanitäre Krise im Gaza-Streifen

Der erste medizinische Nothilfe-Einsatz von CADUS im Gaza-Streifen steht kurz bevor. Was wird unser Team vor Ort vorfinden? Die Bilder der katastrophalen humanitären Lage, die wir aus den Medien kennen, werden in UN-Berichten und weiteren Quellen mit Zahlen untermauert.

Medizinische Infrastruktur stark betroffen

Über 25.000 Tote und mehr als 62.000 Verletzte sind seit Oktober 2023 durch die Intervention der israelischen Streitkräfte in Reaktion auf den Terrorangriff am 07. Oktober im Gaza-Streifen zu beklagen. Gleichzeitig sind nur noch drei Krankenhäuser, alle im Süden, voll funktionstüchtig. Die World Health Organization (WHO) gibt 16 weitere Krankenhäuser als teilweise funktionstüchtig, und 20 als außer Betrieb an. Von 77 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung sind nur noch 15 geöffnet. Es wurden 312 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen registriert . Durch die Angriffe sind laut der Statistik 337 medizinische Fachpersonen ums Leben gekommen, und es wurden 83 Ambulanzen beschädigt. (Quelle, Stand 20.01.2024)

Hürden für die Logistik

Sowohl eigene Produktion von Nahrungsmitteln als auch deren regulärer Import sind im Gaza-Streifen zum Erliegen gekommen. Beinahe die gesamte Bevölkerung ist von Hunger bedroht und auf Hilfe angewiesen. Doch auch für humanitäre Hilfe ist der Zugang stark beschränkt, fast alle Grenzübergänge sind geschlossen. Die Direktorin des World Food Programms, Cindy McCain, berichtet:

„People in Gaza risk dying of hunger just miles from trucks filled with food. Every hour lost puts countless lives at risk. We can keep famine at bay but only if we can deliver sufficient supplies and have access to everyone in need, wherever they are.”

Das UN Logistik-Cluster berichtet, dass sich der Zugang im neuen Jahr sogar noch verschlechtert hat. Von 29 geplanten Hilfslieferungen, die den nördlichen Gaza-Streifen erreichen sollten, konnten in den ersten zwei Wochen nur sieben durchgeführt werden. Das bedeutet einen Anstieg der aufgehaltenen Transporte um zehn Prozent. Von der erschwerten Einfuhr betroffen sind unter anderem Generatoren, die dringend für die Wasserver – und Abwasserentsorgung benötigt werden.

WHO warnt vor Konsequenzen

Laut dem WHO Situation Report (Stand 11.01.2024) sind 1,93 Millionen Menschen im Gaza-Streifen zur Flucht gezwungen, das entspricht 85 % der Bevölkerung. Durch den eklatanten Mangel an allem Lebensnotwendigen wie Nahrung, Wasser, Medikamenten und Treibstoff verschlechtert sich die gesundheitliche Lage der Menschen immer weiter. Neben den vielen Verletzungen rechnet die WHO mit Ausbrüchen von übertragbaren Krankheiten. Aber auch die Versorgung von Patient:innen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Nierenerkrankungen ist nicht mehr sichergestellt.

Die WHO und weitere UN-Organisationen fordern einen grundlegenden Richtungswechsel der israelischen Regierung bei der Versorgung des Gaza-Streifens mit humanitärer Hilfe. Das bedeutet die Öffnung weiterer Grenzübergänge für mehr Hilfslieferungen, weniger Beschränkungen für humanitäre Helfer:innen und einen sicheren Zugang zu den Gütern für die Hilfesuchenden. Aktuell wird die Einrichtung von Versorgungsstellen durch Bombardierungen und sich ständig verschiebende Kampflinien massiv behindert .

Keine Kommunikation möglich

Die geringe, noch vorhandene medizinische Infrastruktur kann durch Hilfesuchende kaum noch alarmiert werden: Die Telekommunikation ist im kompletten Gaza-Streifen immer wieder unterbrochen, so am 12. Januar für eine ganze Woche. Nachdem ein Teil des Netzes kurzfristig wieder hergestellt worden war, gibt es aktuell einen weiteren Totalausfall. Die Menschen können somit weder Kontakt zu ihren Verwandten halten noch sich über die aktuelle Sicherheitslage informieren oder erfahren ob und wo sie Zugang zu Nahrung, Wasser, Strom und medizinischer Versorgung erhalten.

Auch die Koordination von Hilfskräften untereinander wird durch die Ausfälle der Telekommunikations-Infrastruktur massiv erschwert. Einzig ein israelisches Netz ist noch entlang eines Streifens von etwa vier Kilometern nahe der Grenze verfügbar, sofern ein Zugang zu diesem Netzwerk hergestellt werden kann. Für humanitäre Einsatzkräfte wird außerdem in Rafah ein Netz zur Verfügung gestellt.

Schon vor den aktuellen Blackouts war Telekommunikations-Infrastruktur im Gaza-Streifen ein schwieriges Thema. Palästinensischen Anbietern ist nur der Ausbau auf 2G-Niveau erlaubt. Zwar war auf Drängen der Weltbank eine Lockerung dieser Beschränkung diskutiert worden, doch dieses Thema dürfte aufgrund der aktuellen Lage vorerst vom Tisch sein.

Grenzen der Vorstellungskraft

Egal welche Parameter man sich anschaut: Die Lage für die Menschen im Gaza-Streifen ist katastrophal. Zahlen erfassen die Situation statistisch. Die Realitäten, die sich hinter den Zahlen verbergen, können wir momentan noch schwer fassen. Zweifelsohne wird dieser Einsatz sehr fordernd für unser Team. Doch wir sind uns bewusst: Das ist kein Vergleich dazu, was es aktuell bedeuten muss, vor Ort zu (über)leben. Denn selbst in dieser extremen Situation greift das Privileg der internationalen humanitären Organisation: wir haben die Möglichkeit, den Gaza-Streifen wieder zu verlassen.

by Jonas Gruenwald

Über die Suche nach dem richtigen Weg Die CADUS Emergency Response im Ukraine Krieg

Juni 27th, 2022|

Erst haben wir gehofft: es geht nicht los. Dann haben wir gedacht: vielleicht dauert es nicht lang. Nun ist der hundertste Tag des Angriffs-Kriegs Russlands auf die Ukraine verstrichen, und es ist kein Ende in Sicht.

Bleibe informiert über unsere Einsätze, Veranstaltungen und Themen aus der Humanitären Nothilfe – mit unserem Newsletter!

Newsletter Anmeldung

Ich stimme der Verarbeitung meiner persönlichen Daten (eMail) zu
Ich stimme dem Empfang des Newsletters zu

Ich möchte mich vom Newsletter abmelden.

Deine Spende macht es möglich, dass wir unsere Ressourcen und Fähigkeiten dort einsetzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Nach oben