Gaza: 1000 Patient*innen und kein Ende
Vor wenigen Tagen hat unser Team in Rafah, Gaza den tausendsten Patienten im Trauma Stabilisation Point (TSP, also ein Versorgungspunkt für Schwerverletzte) vom Palästinensischen Roten Halbmond (PRCS) versorgt.
Fast ein Drittel unserer Patient*innen ist dabei unter 18 Jahre alt. Nahezu 60%, und damit der größte Teil, gehören in die Altersklasse bis 49 Jahre. Unsere Teams behandeln also viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Verwunderlich ist das nicht bei so einer jungen Gesamtbevölkerung. Unsere Teams sehen täglich Verletzungen direkt verursacht durch das Kriegsgeschehen, sowie gesundheitliche Probleme verursacht durch die schlechten Lebensbedingungen, bis hin zu unbehandelten chronischen Erkrankungen.
Im Durchschnitt behandeln wir im TSP 18 Menschen pro Tag. Im Falle von Mass Casualty Incidents (MCIs), also einem Massenanfall von Patient*innen durch z.B. eine Explosion, können es aber auch Dutzende innerhalb weniger Minuten sein. Bisher war unser Team drei Mal mit dieser Situation konfrontiert, in der es mehr Patient*innen gab, als mit den vorhandenen Kapazitäten auf Anhieb versorgt werden konnten. Insgesamt 115 Personen wurden während der MCIs behandelt.
Eine detailierte Aufschlüsselung unserer Patient*innen im TSP nach Alter und Geschlecht. Grafik: CADUS
Über 1000 Menschen haben wir in Gaza bisher geholfen, ermöglicht auch durch die Unterstützung unserer Spender*- und Partner*innen. Allerdings wissen wir auch, dass diese Hilfe nicht ausreicht. Tausende Menschen benötigen dringend medizinische Versorgung und Lebensumstände, die zumindest ein Überleben ermöglichen.
Eine Aufschlüsselung nach Grund der Behandlung der Patient*innen. Ein Drittel der Verletzungen sind auf Explosionen, Schussverletzungen und Schrapnelle zurückzuführen. Grafik: CADUS
Wie viele Menschen unseren Behandlungspunkt gar nicht erst erreichen wissen wir nicht genau. Aber gemessen an den Einschlägen, die zu hören sind, müssten wir eigentlich mehr Patient*innen sehen. Leider können viele erst als „Dead on Arrival“ zum TSP gebracht werden, Tage nach den Kampfhandlungen, wenn sich die Armee ganz zurückgezogen hat. Manchmal sind es bis zu 40 Tote an einem Tag. Auch die Leichen, die unsere MedEvac-Teams immer wieder am Wegesrand sehen, wenn sie sich Richtung Norden begeben, lassen nichts Gutes erahnen.
Nach fünf Wochen ohne Transporte aus dem Norden Gazas konnten wir zwei Kinder erfolgreich in den Süden bringen. Video: CADUS
Die MedEvacs bergen trotz aller Absprachen und Vorbereitungen immer ein Risiko für alle Beteiligten. Video: CADUS
Am 23.03.24 konnten wir unseren ersten erfolgreichen MedEvac (medical evacuation) durchführen. Das ist ein medizinisch begleiteter Transport von schwerstkranken oder -verletzten Patient*innen. Im Auftrag der WHO bringen wir sie aus dem völlig zerstörten Norden Gazas in die noch teils funktionstüchtigen Krankenhäuser im Süden. Vor über einem Monat hat PRCS diese Transporte noch selbst durchgeführt. Doch aufgrund wiederholter Angriffe und Festsetzung ihrer Fahrer mussten sie die MedEvacs einstellen.
Wir können uns bis jetzt über vier erfolgreiche Transporten freuen. Das sind fünf Menschen, die jetzt adäquat medizinisch versorgt werden können. Dem gegenüber stehen aber 10 erfolglose Versuche, die aufgrund fehlender Freigaben oder widersprühlicher Anweisungen der israelischen Armee abgebrochen werden mussten. Einen MedEvac hat unser Team nach dem tödlichen Angriff auf einen Konvoi der Organisation World Central Kitchen abgesagt, bei dem sieben Helfer*innen getötet wurden. Und auch bei den MedEvacs gilt: auf jeden Menschen, der Hilfe bekommen hat, kommen Hunderte, die weiter warten müssen, sofern sie es überleben.
Der TSP vom Palästinensichen Roten Halbmond in dem wir arbeiten, ist einer der wenigen Anlaufpunkte, an denen die Menschen medizinische Behandlungen bekommen können. Foto: CADUS
So wie es leise Hoffnung gibt, dass sich die Lage in Gaza durch die angekündigten Grenzöffnungen entspannen könnte, droht die Offensive auf Rafah die Lage nochmal deutlich zu verschlimmern.
Wir werden weiterhin in Gaza bleiben und so vielen Menschen wie möglich helfen. Die Gesamtsituation lässt sich aber nur auf politischer Ebene verbessern.
by Jonas Gruenwald
Maskenmangel in Nordostsyrien
In Nordostsyrien sind Alltagsmasken teure Mangelware. Als Corona-Präventivmaßnahme haben wir deswegen vor Ort schon über 8000 Masken bei lokalen Näher*innen produzieren lassen und verteilen diese an die Bevölkerung.
Jede Erkrankung hat eine Geschichte: Unsere Medics erzählen vom Camp auf Lesbos
Bald sind es schon vier Wochen, in denen wir täglich die Bewohner*innen des Camps Kara Tepe 2 auf Lesbos behandeln. Über den medizinischen Zugang gewinnen wir einen Einblick in das Leben im Camp. Viele Krankheitsbilder wiederholen sich immer wieder und stehen vermutlich in direktem Zusammenhang mit den aktuellen …
Die Crew erzählt aus Lesbos: Viel Überforderung und Hilflosigkeit
Zwei Mitglieder unserer Crew, die die ersten zwei Wochen unseres Einsatzes im Camp Kara Tepe 2 waren, erzählen von ihrem Einsatz. Rebekka (Ärztin) und Lamin (Rettungsassistent) berichten, wie es für sie war, in einem Geflüchtetenlager medizinisch zu arbeiten. Sie erzählen, was sie besonders frustriert hat und welche …
Bleibe informiert über unsere Einsätze, Veranstaltungen und Themen aus der Humanitären Nothilfe – mit unserem Newsletter!
Newsletter Anmeldung
Ich möchte mich vom Newsletter abmelden.